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Letzten Sommer ist im Telegram-Chat des Klimastreik Bern eine Anfrage bei mir gelandet. Ich bin selber mit über dreissig nicht mehr ganz so jugendlich, bin aber auf dem Verteiler, weil ich mich sehr für das Thema interessiere. Der Schreiber hatte vor, zusammen mit Installateuren, Energie-Experten, Planern, Pellet-Lieferanten und Bauherren eine Genossenschaft zu gründen. Ziel ist, im grossen Stil Öl- und Gasheizungen durch nachhaltige Systeme, zum Beispiel Holzpellets, zu ersetzen. Ein Drittel der Schweizer CO2 Emissionen werden durch das Wohnen verursacht. Bei der Heizung anzusetzen lohnt sich also, es ist vergleichsweise einfach und man kann viel CO2 mit relativ wenig Aufwand sparen. Er suchte motivierte Leute, die ihm dabei helfen. Ich habe mich gemeldet und bin vor einem halben Jahr eingestiegen. Unterdessen haben wir die Wärme Genossenschaft Bern gegründet und ich arbeite mit beim Aufbau der Organisation.

Ich bin gelernter Hochbauzeichner und habe früher in einem klassischen Architekturbüro gearbeitet. Dann fand ich es nicht mehr richtig, Häuser mit einem Standard zu bauen, den ich für mich selber nicht wollen würde und der viel Umweltbelastung mit sich bringt. Ich habe gekündigt und die letzten zwei Jahre im Service, im Verkauf und als Velokurier gearbeitet. Die Anfrage sah ich als Chance, etwas Nützliches in meinem ursprünglichen Beruf zu machen. Angefangen habe ich eher vorsichtig, aber so peut à peut packte es mich, unterdessen reisse ich das Projekt richtig mit. Ich habe noch nie ein Unternehmen aufgebaut. Mein Partner und ich haben beide das Gefühl, dass es einfach gehen muss. Ich habe in der Lehre eine ähnliche Erfahrung gemacht, wo ich schon früh Bauleitungen machen durfte, aber von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte. Ich bin damals ins kalte Wasser gesprungen, habe dann aber immer Leute mit Erfahrung gefunden, die meine Fragen beantworten konnten, und so funktionierte es ziemlich gut. Ich habe schnell gelernt und bin dabei richtig aufgeblüht.

Das Schöne an der Holzheizung ist, dass sie praktisch klimaneutral ist und die Wertschöpfung in der Gegend passiert. Dazu kommt, dass sie so einfach ist, man versteht auch ganz ohne Fachwissen, wie es funktioniert. Und dann gibt es auch eine sinnliche Seite: Du siehst die Bäume im Wald und weisst, dass hier der Brennstoff für deine Heizung wächst. Natürlich muss das Holz aus der Umgebung stammen und der Wald nachhaltig bewirtschaftet sein. Dann ist es sehr motivierend, wie gross das Einsparpotenzial ist, im Schnitt spart man pro Jahr 90 Prozent Emissionen gegenüber der Ölheizung. Wenn ich selber ein Haus bauen würde, gäbe es fast sicher eine Holzheizung, dafür brenne ich jetzt halt.

Schaffen wir es rechtzeitig mit dem grossen Wandel? Ich bin skeptisch, aber gleichzeitig mutig genug, etwas zu unternehmen. Es braucht eine Reaktion wie auf die Bedrohung der Pandemie, wo es völlig klar ist, dass subito etwas gehen muss. Wahrscheinlich wird es kurz vor knapp und wir bekommen es dann noch irgendwie hin. Es geht um viel mehr als nur ums Heizen. Wir müssen einen Weg finden in die nächsten hundert Jahre, wie wir auf der ganzen Welt richtig nachhaltig und gut leben können. Ich engagiere mich, weil ich auf der Seite des Guten stehen will. Wie meine Vision aussehen könnte? Vielleicht so: Viel Gemeinschaft, eine aufgeklärte und gerechte Gesellschaft, Empathie mit allen Lebensformen, Bescheidenheit, eine gesunde Demut und das Gefühl von echter Freiheit. Und dabei nicht vergessen, die Leichtigkeit und Verspieltheit des Lebens zu zelebrieren.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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