Neue Geschichten jeden Dienstag und Freitag.

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Ich war schon immer gerne daheim, aber trotz meiner Pensionierung nie in dem Mass wie jetzt. Sonst habe ich die ganze Zeit Termine, Yoga, kochen in der Kirchgemeinde, Tavolata bei uns im Haus, Freunde treffen. Das ist jetzt alles weit weg. Nur meine zwei ehemaligen Bürokollegen besuche ich regelmässig, die haben beide schwere Krankheiten. Gerade heute Nachmittag gehe ich dorthin. Aber sonst habe ich tagelang keinen Termin, nüt, gar nüt. 

Nun geht ja zum Glück die ETH-Bibliothek wieder auf. Ich stöbere halt immer noch gerne in der Wissenschaft herum. Wenn ich etwas lese, Fachliteratur und so, dann muss ich einfach etwas daraus machen. Ich arbeite deshalb jetzt gerne an meinem Blog «zukunftvoralter», der Untertitel heisst «Gedanken und Beiträge zur Zukunft von einem alternden Chemiker». Im Januar habe ich den ersten Beitrag gepostet. Wegen Corona habe ich jetzt genug Zeit dafür. In einem Blog-Artikel habe ich mein Leben als Zeitraum genommen, um verschiedene Entwicklungen aufzuzeigen. Als ich geboren wurde, träumte meine Mutter von einer Waschmaschine und der Vater von einem Auto, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre lag noch bei etwa 290 ppm, wie schon vor 500’000 Jahren, als der Mensch das Feuer entdeckte. 72 Jahre später ist die Konzentration 415 ppm, praktisch jeder Haushalt hat eine Waschmaschine und dazu noch einen Tumbler und die Zahl der Autos ist etwa 35 Mal so gross.

Der Beitrag endet damit, dass unsere Generation weg vom Konsum und hin zu immateriellen Werten kommen sollte. Ich zum Beispiel habe schon immer gerne gesungen, nun macht meine Partnerin auch mit. Vor Corona gingen wir dafür in die Volkshochschule. Wir haben dort einfach gesungen, ohne grosse Stimmbildung und weiss der Tüfel was. Zum Beispiel lernten wir einen lappländischen Jodel, oder Mani Matter, «dene wo’s guet geit, giengs besser…», und zäuerle, aber das hatte ich nicht so gern. Der Chorleiter bedient uns jetzt im Internet mit Gesangsanleitungen. Meine Partnerin und ich studieren die Anleitungen zuerst je einzeln. Dank Corona singen wir dann a capella im Duett, das hätten wir sonst nie geschafft.

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Die meisten Geschichten entwickeln sich in einem Gespräch und wir schreiben sie auf. Manche Geschichten werden uns zugeschickt, auf Einladung oder spontan. Bislang haben wir die Geschichten nicht systematisch gesucht – sie ergeben sich durch spontane Kontakte, Empfehlungen und Zufälle.

Die Geschichten widerspiegeln nicht immer unsere Meinung; und die Geschichtenerzählerïnnen sind wohl auch nicht immer einer Meinung.

Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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